Planetane – tiefe Ozeanplaneten

26. Dezember 2019

Einleitung

Im Jahr 2004 schlug das Team um die Astronomen Alain Léger und Franck Selsis eine neue Klasse von Planeten vor, die sie Ozeanplaneten nannten (Léger et al. 2004). Solche Planeten weisen ungefähr den doppelten Erdradius auf, haben jedoch eine niedrigere Dichte als Gesteinsplaneten. Sie könnten bis zur Hälfte aus Wasser bestehen. Solch bizarre Welten sind nicht zu verwechseln mit erdähnlichen Planeten, die einen weit ausgedehnten Ozean wie die Erde besitzen. Auch solche Himmelskörper werden gerne als „Ozeanplaneten“ bezeichnet. Ein Planet nach dem Modell von Léger jedoch würde sich sehr drastisch von der Erde unterscheiden. Allein die Wasserschicht wäre mehrere tausend Kilometer mächtig, selbst der flüssige Teil davon könnte 100 und mehr Kilometer tief sein. Das sind Ausmaße, wie sie auf der Erde nirgendwo existieren. Um die Bedingungen auf solch einer Welt nachzubilden und zu verstehen, muss man auf Methoden der Hochdruckphysik zurückgreifen. Bisher haben sich nur zwei U-Boote bis in Tiefen von 11 Kilimetern vorgewagt und diese beiden Expeditionen waren jeweils technische Meisterleistungen ihrer Zeit. Könnte man einen Ozean von 100 Kilometern Tiefe überhaupt erkunden?

Planetane
Schematischer Vergleich der Erde, eines Gesteinsplaneten mit 6 Erdmassen und eines ebenfalls 6 Erdmassen schweren Ozeanplaneten. Angaben nach Léger et al. (2004). Das auffälligste Merkmal des Ozeanplaneten ist seine äußere Hülle aus Wasser bzw. Eis.

Und noch einen wichtigen Unterschied gäbe es im Vergleich zur Erde. Ein Ozeanplanet in diesem Sinne hätte keinerlei Landfläche. Der silikatische Mantel des Planeten läge tief unter dem Eis begraben. Es gäbe keine Formationen, welche die Wasseroberfläche durchbrächen. Der gesamte Planet wäre vollständig von einem einzigen, weltumspannenden Ozean umgeben.

Zur Vermeidung von Verwechslungen mit Ozeanplaneten im irdischen Sinne schlug Leonid Ksanfomality von der Russischen Akademie der Wissenschaften später den Begriff „Planetan“ vor, eine Zusammensetzung aus „Planet“ und „Ozean“ (Ksanfomality 2014).

Vermutete Entstehung

Léger nahm an, dass sich solche Wasserplaneten auf eine grundsätzlich andere Weise bilden als felsenartige erdähnliche Planeten. Sie könnten sich zunächst in den äußeren Bereichen einer protoplanetaren Scheibe formieren, etwa 5-10 Astronomische Einheiten von einem sonnenähnlichen Stern entfernt, wo sie einen aus Gestein und einem hohen Anteil aus Wassereis bestehenden festen Kern ansammeln würden. Zusätzlich enthielte der Planet Kohlendioxid, Ammoniak sowie Wasserstoff und Helium. Die Gesamtmasse des Planeten sollte dabei 8 Erdmassen nicht übersteigen, damit der Wasserstoff- und Heliumanteil im Verhältnis zu den anderen Gasen gering bleibt. Die Planeten Uranus und Neptun entsprechen in ihrer inneren Zusammensetzung bereits einem „Eisriesen“, sind jedoch von einer 1-4 Erdmassen enthaltenden Hülle aus Wasserstoff und Helium umgeben. Der Anteil an Wasserstoff und Helium wäre bei einem zukünftigen Wasserplaneten geringer. Deswegen legte Léger die obere Massengrenze bei 8 Erdmassen fest.

Durch Wechselwirkungen mit der protoplanetaren Scheibe und anderen Objekten des Sonnensystems würde der Eisplanet auf eine tiefere Umlaufbahn geraten, möglicherweise sogar bis in die Bewohnbare Zone. Während dieser Wanderung in zunehmend wärmere Zonen würde er den größten Anteil seines ursprünglichen Wasserstoff- und Heliumvorrates verlieren, bis schließlich nur noch Wasser, Kohlendioxid und Ammoniak den überwiegenden Teil der flüchtigen Verbindungen ausmachen würden. Ein Teil des Eismantels würde schmelzen, der globale Ozean würde sich bilden und die Atmosphäre bestünde zu einem hohen Anteil aus Wasserdampf.

Ganz wichtig für das Verständnis eines Wasserplaneten ist hierbei, dass die Trennung von Wasser und den mineralischen Bestandteilen bereits während der heißen Phase der Planetenbildung erfolgt. Schon sehr früh bildet sich ein gesteinshaltiger Kern heraus, während das Wasser und die anderen Verbindungen zunächst gasförmig vorliegen. Erst später erfolgt die Kondensation. Als Folge läge die Eishülle vollständig über dem mineralischen Kern.

Ein erdähnlicher Planet hingegen würde seinen deutlich kleineren Wasservorrat erst viel später in seiner Enstehung ansammeln. Eine oft zu lesende Vorstellung besagt, dass die Erde ihr Wasser hauptsächlich aus Kometen und Kristallwassereinschlüssen in Meteoriten erhalten haben soll. Auf der Erde steht somit der flüssige Ozean in Kontakt mit der festen Erdkruste, Auch ragen Kontinente und Vulkaninseln über die Wasseroberfläche hinaus. Auf einem Planetan gäbe es solch eine Kontaktzone nicht.

Exotisches Eis

Um dies zu verstehen, müssen wir das Verhalten des Wassers bei hohen Drücken und Temperaturen betrachten. Auf Meereshöhe und sogenanntem Standarddruck (1 Atmosphäre oder 100 kPa) wird reines Wasser bei 0°C zu Eis und bei 100°C in die Dampfphase übergehen. Diese Übergänge lassen sich jedoch verschieben. Erhöht man z.B. den Druck, so wird das Wasser auch jenseits von 100°C noch flüssig bleiben. Diesen Effekt macht man sich unter anderem in Dampfkochtöpfen zunutze, wo dank des verschlossenen Deckels das Wasser auch noch einige Grad oberhalb von 100°C flüssig bleiben und somit eine schnellere Garung bewirken kann. Die Existenz der flüssigen Phase ist jedoch auf der Temperaturachse nach oben hin begrenzt: Bei 374°C ist die höchste Temperatur erreicht, bei der flüssiges Wasser gerade eben noch existieren kann. Allerdings ist hier schon der 220 Meereshöhendruck (oder 22 MPa) erforderlich, um das Wasser noch in dieser Phase zu halten. Schon eine geringfügig weitere Temperaturerhöhung wird das Wasser in ein sogenanntes „überkritisches Fluid“ verwandeln. In diesem Zustand entspricht die Dichte zwar noch der von flüssigem Wasser, als Folge der hohen Temperatur bewegen sich die Wassermoleküle jedoch schon so frei voneinander, dass sie sich anteilig wie die Moleküle eines Gases verhalten. Diesen Übergangspunkt nennt man den kritischen Punkt.

Experimentell ist dieser Übergang sehr eindrucksvoll zu sehen. Erhitzt man Wasser in einem Hochdruckkessel, so kann man unterhalb des kritischen Punktes zwei Phasen beobachten: unten das siedende Wasser und darüber den Dampf. Beim Überschreiten des kritischen Punktes jedoch verschwinden die beiden Phasen sofort. Das überkritische Fluid füllt den ganzen Kessel aus, die flüssige und die gasförmige Phase existieren nicht mehr.

Auch in der anderen Richtung der Temperatur- und Druckskala ist die Existenz flüssigen Wassers begrenzt. Unter Standarddruck kann flüssiges Wasser noch in einem Temepraturbereich von 0-100°C existieren. Bei abnehmendem Druck – z.B in einer Vakuumglocke – wird das Wasser zwar immer noch bei 0°C gefrieren, jedoch schon bei weniger als 100°C sieden. Dieser Bereich wird umso enger, je weiter der Druck abnimmt. Bei 0°C und 6 Pa Druck ist schließlich der Punkt erreicht, ab dem man zum letzten Mal flüssiges Wasser beobachten kann. An diesem sogenannten Tripelpunkt können Eis, flüssiges Wasser und Wasserdampf nebeneinander existieren. Bei noch niedrigeren Drücken wird Eis gar nicht mehr flüssig, sondern direkt in die Dampfphase übergehen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Sublimation.

Trägt man Druck und Temperatur nun auf die beiden Achsen eines Diagrammes auf – die Temperatur auf die X-Achse und den Druck auf die Y-Achse – so lassen sich die Existenzbereiche der drei Phasen des Wassers klar voneinander abgrenzen. In der rechten unteren Hälfte des Diagrammes findet man die Drücke und Temperaturen, bei denen Wasser als Dampf vorliegt, die linke Seite wird von der Eisphase eingenommen und in der rechten oberen Hälfte des Diagrammes kann Wasser in flüssiger Form vorliegen.

Für die Betrachtung der Wasserplaneten sind jedoch die Veränderungen interessant, die sich ergeben, wenn flüssiges Wasser immer höherem Druck ausgesetzt wird, die Temperatur jedoch konstant bleibt. Betrachten wir hierfür die Verhältnisse in den Weltmeeren.

In den tieferen Zonen der Meere beträgt die Temperatur des Wassers abgesehen von einigen Ausnahmen und geringfügigen Schwankungen ca. 4°C. Dies ist die Temperatur, bei welcher flüssiges Wasser unter Standarddruck die höchste Dichte hat. Wasser von 4°C wird sich ohne weitere Störungen in der Nähe des Meeresbodens ansammeln (in den Weltmeeren bilden die großen Strömungen eine erhebliche Störung, diese transportieren jedoch vom Rand der Polargebiete ausgehend konstant kaltes Wasser nach). Bei noch stärkerer Abkühlung und dem Übergang in die Eisphase nimmt zugleich die Dichte des Wassers wieder ab; aus diesem Grund schwimmt Eis auf der Wasseroberfläche.

Mit jedem Meter Meerestiefe steigt der Druck um etwa 10 kPa oder 1 Standardatmosphäre. Das Wasser jedes tieferen Meters trägt die gemeinsame Last aller darüber liegenden Schichten. Flüssiges Wasser ist schwer komprimierbar, weil die einzelnen Wassermoleküle bereits in einer sehr dichten und platzsparenden Anordnung vorliegen. Dies ändert sich erst in sehr großen Tiefen. 10 Kilometer unter dem Meeresspiegel ist die Dichte des Wassers um etwa 5% höher als bei gleicher Temperatur an der Oberfläche. Selbst an den tiefsten Stellen des Meeres bleibt das Wasser noch flüssig.

Bei noch weiter steigendem Druck wird sich jedoch die Anordnung der Wassermoleküle verändern. Gäbe es noch tiefere Stellen im Ozean, so könnte man bei einer Tiefe von etwa 63 Kilometern etwas seltsames beobachten. In solcher Tiefe würde der Druck der darüber liegenden Wassermassen das 4°C kalte Wasser erneut in eine Eisform pressen. Aber diese Eis VI genannte Form unterscheidet sich von dem Eis, welches wir an der Meeresoberfläche finden. Eis VI existiert nur unter hohem Druck und ist dichter als flüssiges Wasser, bleibt deswegen am Meeresboden liegen. Eine Temperaturerhöhung würde Eis VI wieder verflüssigen, aber nur bis zu einer Temperatur von 82°C.

Bleiben wir aber zunächst bei der 4°C-Linie. Bei dieser Temperatur kann Eis VI bis zu einem Druck von 2 GPa, entsprechend einer Meerestiefe von 200 Kilometern, existieren. Noch höhere Drücke bewirken eine erneute Veränderung der Eiskristalle. Es ensteht Eis VII. Dieses wiederum zeigt eine unerwartete Eigenschaft: Eis VII ist beständiger gegenüber Temperaturerhöhungen und kann auch noch bei Temperaturen von über 700°C in der Kristallform gehalten werden.

Bei Drücken ab ca. 62 GPa oder 620 Kilometern Tiefe würde sich eine neue Hochdruckform namens Eis X ausbilden. Zumindest theoretisch sind noch höher komprimierte Eisformen möglich, aber experimentell nicht mehr so gut abgesichert. Der Tripelpunkt von Eis X, Eis VII und überkritischem Wasser liegt bei 727°C und 42 GPa. In der 2.000 Kilometer oder noch tieferen Eisschicht eines Planetans würden sich solche Eisformen bis zum felsigen Grund erstrecken. Die Hälfte solch eines Ozeanplaneten mag zwar aus Wasser bestehen, aber der allergrößte Anteil des Wassers würde in solch exotischen Eisformen vorliegen.

GJ1241b - Modell für einen heißen Ozean

Einer der bisher besten Kandidaten für einen Ozeanplaneten ist GJ1241b. Dieser Planet umkreist einen kühlen Roten Zwergstern einmal in 1,6 Tagen. Mit ungefähr 2,7 Erdradien und 6,6 Erdmassen ergibt sich daraus eine Dichte von nur 1,9 g/cm3. Dies wäre vereinbar mit einem Planeten, der aus einem Eisen-Nickel-Kern, einem silikatischen Mantel und ungefähr 50% seiner Masse aus Wasser besteht. Auf die Atmosphäre entfiele ein paar Prozent des Massenanteils. Sie bestünde aus Wasserdampf, Kohlendioxid und geringen Anteilen von Wasserstoff und Helium. Marcy (2009) gibt für die Wasseroberfläche eine Temperatur von 190°C an. Dieser Ozean wäre in den oberen Schichten tatsächlich flüssig.

Ein großer Unsicherheitsfaktor ist die Zusammensetzung und der Masseanteil der Atmosphäre. Eine massereiche Atmosphäre um einen ansonsten felsigen Körper herum würde die mittlere Dichte des Planeten ebenfalls herabsetzen und eine Wasserwelt vortäuschen. Bean et al. (2006) konnten jedoch Transmissionsspektren der äußeren Atmosphäre von GJ1241b isolieren. Die Spektren zeigen eine strukturlose Wolkendecke, wie sie mit einer den gesamten Planeten umschließenden Wasserdampfatmosphäre vereinbar wäre. Der Wasserstoffanteil kann dann nur noch gering sein, denn Wasserstoff würde in den äußeren Atmosphärenschichten distinkte Wolken und Nebel erzeugen. Davon war jedoch nichts zu sehen.

Hypothetischer Blick auf die Oberfläche des Wasserplaneten GJ1214b. So gut wie kein Sonnenlicht könnte die dichten Wolkenschichten der Dampfatmosphäre durchdringen. Die einzige Lichtquelle auf der Oberfläche wären die Blitze gigantischer Gewitterstürme.

OGLE-2005-BLG-390Lb - eine gefrorene Wasserwelt?

Ein ganz anderes Beispiel bietet der durch Gravitationslinsen entdeckte Planet OGLE-2005-BLG-390Lb. Sein Zentralstern ist ein M-Klassestern mit einem geschätzten Alter von 9-10 Milliarden Jahren. Der Planet hat eine mittlere Masse von 5,5 Erdmassen und umrundet seinen Stern in einer Entfernung von 2,6 Astronomischen Einheiten. Die Oberflächentemperatur liegt zwischen –238 und –226°C. Im Falle eines hohen Wasseranteils wäre der Ozean heute vollständig gefroren. Vor ca. 5 Milliarden Jahren jedoch wäre die durch den Zerfall radioaktiver Elemente freigesetzte Wärme noch ausreichend gewesen, um zumindest unter einer oberen Eisdecke noch einen flüssigen Ozean zu ermöglichen. In der Vergangenheit wäre dieser Planet eine größere Entsprechung des Jupitermondes Europa gewesen. (Ehrenreich et al. 2006).

Klimatische Instabilität auf Wasserplaneten

Auf der Erde ist der Karbonat-Silikat-Zyklus ein sehr wichtiger Faktor für die Stabilisierung des Klimas. In diesem Zyklus wird der Atmosphäre Kohlendioxid in Form von Karbonaten entzogen. Zugleich werden oberflächennahe Silikate verwittert. Ohne irgendeine silikatische Oberfläche oberhalb des Meeresspiegels existiert dieser Zyklus jedoch nicht. Statt dessen bestimmt einzig und allein die Löslichkeit des atmosphärischen Kohlendioxids im Meerwasser das Klima, allerdings in einer für Lebewesen sehr ungünstigen Regulation. Steigt die Temperatur des Wassers an, so kann es weniger Kohlendioxid gelöst halten und gibt des Überschuss an die Atmosphäre ab. Dies verstärkt den Treibhauseffekt, die Temperaturen steigen weiter, infolge dessen wird noch mehr Kohlendioxid ausgegast. Kühlt der Planet jedoch ab, so kann das Meerwasser mehr Kohlendioxid aufnehmen, der Treibhauseffekt des atmosphärischen Kohlendioxids wird schwächer, die Temperaturen fallen weiter. Die Bewohnbarkeit von Planetanen ist somit nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sie unterliegt jedoch deutlich stärkeren Einschränkungen als bei terrestrischen Planeten (Kitzmann et al. 2015).

Insgesamt betrachtet stellt die Klasse der tiefen Ozeanplaneten oder Planetane eine sehr bizarre Kategorie von Objekten dar, zu deren Verständnis noch viel Forschungsarbeit notwendig ist.

Quellen

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